Samstag, 9. Oktober 2010

Kinshasa Sinfonie


Josephine Msimba

Kinshasa Sinfonie-Orchester

 "Kinshasa Symphony"

Autor: Burghard Schlicht

Die Megacity Kinshasa ist halb zerstört vom Bürgerkrieg, Slums und Hochhäuser prägen das Stadtbild. Doch hier gibt es eine Besonderheit, die nirgends sonst in Zentralafrika zu finden ist: ein Sinfonieorchester, das "Orchestre Symphonique Kimbanguiste". Mozart und Beethoven im Kongo? Gibt es das wirklich?

Das fragten sich auch die beiden Filmemacher Claus Wischmann und Martin Baer – und trafen auf ein unglaubliches Projekt, das sie in ihrem Dokumentarfilm Kinshasa Symphony" vorstellen. Die Musiker des afrikanischen Sinfonieorchesters sind fast alle Amateure, ihr Alltag ist oft ein Kampf ums Überleben. Ihre Musikinstrumente bauen sie zum Teil selbst, zu den Proben nehmen sie kilometerlange Fußmärsche in Kauf – geringe musikalische Ausbildung kompensieren sie mit Engagement. Durch die Musik sagen sie, vergisst man die Probleme des Alltags.

Die Mitglieder des Kinshasa Symphony Orchesters sind fast alle Amateurmusiker. Sie probieren das Unmögliche: den Bolero von Ravel. Die klassische Musik Europas - im Kongo? Die Dokumentarfilmer Martin Baer und Claus Wischmann konnten es gar nicht glauben, als sie das Orchester in diesem von Tyrannei und Bürgerkrieg gebeutelten Land zum ersten Mal hörten: „Das ist ein Moment, den man nie vergisst, „ sagt Martin Baer. Und Claus Wischmann ergänzt: „Das ist ergreifend, das zu erleben.“

Der Dirigent:Armand Diagienda hat das Orchester gegründet, als er seinen Job als Pilot verlor. Von seinem Großvater, einem Christen, hat er die Liebe zur Klassik – das Orchester hat er vor 15 Jahren aus Kirchenmusikern zusammengestellt – für ihn ist es eine Mission. Durchhalten, fordert der Dirigent, denn ein großes Konzert steht an - zum kongolesischen Unabhängigkeitstag. Werden sie es schaffen?

Martin Baer: „Natürlich hört und sieht man das auch, dass viele hinter dem zurückbleiben, was man vielleicht in Europa von einem Amateurorchester erwarte. Aber die kompensieren das eben dadurch, dass sie sagen, na gut, dann übe ich das, dann lerne ich das. Ich werde das schon schaffen. Ich gebe mir mehr Mühe. Das ist ja nur eine von den Schwierigkeiten, mit denen das Orchester zu kämpfen hat.“

Kinshasa – eine der jüngsten, größten und chaotischsten Städte Afrikas: Die meisten, die hier leben, sind sehr arm. So auch die Musiker. Die Filmemacher haben sie ganz bewusst in dieser Stadt, inmitten des Trubels und Lebens, in Szene gesetzt. Oft müssen sie kilometerweit zu den Proben laufen, weil öffentliche Verkehrsmittel fehlen. Die Instrumente haben sie zum Teil selbst gebaut – oder alte repariert. So stellt der Film nicht nur das großartige Orchester vor, sondern auch diese Millionenmetropole, in der sich fast alles mischt: afrikanische Tradition und Moderne und die Musik Europas mit dem rauen Klang dieser Stadt.

Liebevoll, fast zärtlich begleitet der Film einige Musiker des Orchesters in ihre Stadtviertel. Nathalie Bahati, Flötistin, Mutter eines Jungen, dessen Vater einfach verschwand. Sie lebt allein – ohne den hier eigentlich überlebensnotwendigen Familienanschluss. Ihr Heimatdorf liegt im Osten des Kongo - weit weg. So oft wie möglich geht sie in die sogenannte Kirche der Kimbangisten, durch deren Blasorchester sie zur Klassik und zur Flöte kam. So entflieht sie ihrer Einsamkeit, die sie trotz grosser Nachbarschaft empfindet. Durch die Musik, sagt sie, vergisst man ein wenig die Probleme des Lebens. Man dürfe sich nicht aufgeben. Die Musik von Beethoven, von Händel und auch von Carl Orff halte sie hier in Kinshasa.

Martin Baer: „Irgendwann, nachdem man sich gut genug kannte, haben unsere Musiker auch gesagt: Wisst ihr, wieso geht ihr denn davon aus, dass Beethoven eure Musik ist? Wieso ist das europäische Musik? Armand hat irgendwann auch gesagt, also wir leben doch im Zeitalter der Globalisierung. Das ist zweihundert, dreihundert Jahre alt, Händel: das ist nicht euers.“

Und eines Tages ist es so weit: Carl Orffs „Carmina Burana“- inmitten von Kinshasa. Viele Jahre haben sie dafür hart geprobt. Die Begeisterung von Musikern und Zuschauern – „Kinshasa Sinfonie Orchester“ ist ein hinreissender Film über ein Projekt, das alle Elendsklischees Schwarz-Afrikas vergessen macht.

Film-Infos: Kinshasa Symphony (2010), Länge. 95 Min. ,Buch: Claus Wischmann ,Regie: Claus Wischmann, Martin Baer, Mit dem Orchestre Symphonique Kimbanguiste unter der Leitung von Armand Wabasolele Diangienda, Kinostart: 23. September 2010



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